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2005
Interview with Katja Spross (DE)
Lucia Ronchetti ist für zwölf Monate Gast des renommierten Berliner Künstlerprogramms. Jedes Jahr ermöglicht der DAAD zwanzig Künstlern einen Aufenthalt in der deutschen Hauptstadt, darunter drei bis vier Musiker. Die Italienerin studierte Klavier, Komposition und elektronische Musik in Rom und Paris. Ihre Kompositionen reichen von Orchesterstücken über Kammermusik bis zu Vokalmusik, Kammeroper und Theater – immer mit Einsatz von elektronischer Musik. Noch bis Sommer 2006 lebt und arbeitet die 42-Jährige in Berlin, wo ihre Stücke aufgeführt werden.

Wie wichtig ist es für Musiker, andere Länder kennen zu lernen?
Die Geschichte der musikalischen Sprache ist stark mit der jeweiligen Nation verbunden, gleichzeitig ist Musik eine universale Sprache. Musiker benutzen also die gleiche Sprache, haben aber unterschiedliche Interpretationen. Es ist wichtig, diese Unterschiede zu spüren. Das kann man nur im Ausland.

Sie haben sich für Berlin entschieden – warum?
In Berlin erfüllt sich für mich ein Traum. Hier kann ich die Bandbreite der zeitgenössischen Musik aus nächster Nähe erfahren. Eine Vielzahl von Festivals bietet ein Forum für alle möglichen Stilrichtungen. Berlin bildet die Landschaft der zeitgenössischen Musik ab. Als Komponistin bin ich auf der Suche. Ich habe einfach noch nicht alles verwirklicht, was mir vorschwebt. Hier komme ich mit meinen Projekten gut voran, die Umgebung inspiriert mich.

Wonach suchen Sie?
Ich suche die passende Technik für meine musikalischen Ideen , um sie in eine Form zu bringen. Dazu brauche ich die Konfrontation mit Stilen und Techniken anderer Komponisten – viele von ihnen leben in Berlin. Durch die Vermittlung des DAAD habe ich zum Beispiel den französischen Komponisten Marc André kennen gelernt, mit dem ich im Januar ein Doppelkonzert gegeben habe. Ich kannte seine Musik bereits, aber es ist etwas anderes, mit einem Kollegen persönlich zu sprechen. Wir Komponisten reagieren sehr sensibel auf musikalische Anregungen, es ist die Basis für etwas Neues, Persönliches.

Wie beschreiben Sie ihre Musik?
Ich verfolge bei der elektronischen Musik ein analytisches Konzept, dass heißt, ich analysiere die Klänge der einzelnen Instrumente und bearbeite sie mit Hilfe des Computers. Dabei geht es mir aber nie um die Erzeugung eines synthetischen Klangs. In Deutschland existieren einige Studios, wo man den Ton sehr tief gehend bearbeiten kann. So habe ich im Studio der Technischen Universität Berlin viel gelernt und auch im experimentellen Studio in Freiburg. Dort haben Barbara Maurer und ich mit dem Klang der Bratsche experimentiert. Daraus entstand ein Stück, das Barbara Maurer jetzt in Berlin aufgeführt hat.

Beeinflusst der Auslandsaufenthalt Ihre Kompositionen?
Ja, die Umgebung fließt immer in die aktuelle Arbeit ein. Meine Stücke beinhalten theatralische und literarische Elemente, deshalb interessieren mich in Berlin nicht nur Musik, sondern auch Theater, Tanz und Kino. Ein Ergebnis ist mein Auftragswerk für das Berliner Künstlerprogramm des DAAD, „Pinocchio“, ein theatrales Stück für vier Männerstimmen. Meine Musik enthält viele Bezugspunkte zu anderen Kunstgattungen, insofern ist Berlin genau die richtige Stadt.

Welche Pläne haben Sie nach Berlin?
In Italien arbeite ich als Musiklehrerin für Komposition an einem Konservatorium in Salerno, dies führe ich fort. Aber ich hoffe, immer wieder per Dozenten-Austausch nach Berlin kommen und im Studio der Technischen Universität arbeiten zu können . Ich möchte mein Leben so organisieren, dass Berlin mein zweiter Wohnsitz wird. Das ist nicht ganz einfach mit zwei Kindern, aber meine Arbeit macht mich glücklich.

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